
Das Theaterstück Sie sagt. Er sagt. von Ferdinand von Schirach hat mir sehr gut gefallen. Das Bühnenbild blieb zwar während des gesamten Stücks unverändert, doch der Autor hat es dennoch geschafft, das Publikum mit der spannenden und emotionalen Handlung zu fesseln. Besonders das offene Ende regt zum Nachdenken an. Während des Stücks schwankt man ständig zwischen den beiden Perspektiven: Hat sie recht – oder doch er?
Perspektive „Sie“
Sie behauptet, vergewaltigt worden zu sein, und gibt deshalb ihren Job auf, da sie weiß, dass die Anschuldigungen ihrem Ruf schaden könnten. Nach dem Vorfall hat sie kein Selbstbewusstsein mehr. Sie erhält Morddrohungen und wird beleidigt.
Nun stellt sich die Frage: Warum sollte Katharina Schlüter lügen? Warum sollte sie ihren Job, ihre Familie und ihr gesamtes Leben aufgeben, wenn alles nur eine Erfindung wäre? Manche behaupten, sie sei nur wütend oder eifersüchtig und wolle sich rächen. Doch man darf nicht vergessen: Sie hat ihn geliebt. Wäre sie wirklich bereit, für eine Lüge alles zu verlieren? Warum sollte sie ihm so etwas Schreckliches antun, wenn sie ihn doch so sehr geliebt hat?
Perspektive „Er“
Er ist der Angeklagte. Es gibt Beweise gegen ihn, doch er schweigt anderthalb Stunden lang. Erst im Schlussplädoyer ergreift er das Wort – obwohl seine Anwältin ihm davon abgeraten hat. Sie sagt sogar: „Nein, das ist keine gute Idee.“ Aber warum sollte sie das sagen, wenn er doch unschuldig ist (aus seiner Sicht)?
Nun behauptet er, alles sei ganz anders gewesen. Der sexuelle Akt habe nicht so stattgefunden, wie sie es schildert – sie seien nicht einmal im Bett gewesen.
Also, wer hat recht?
Beide Erzählungen klingen plausibel. Das Stück lässt diese Frage offen und zeigt, wie schwierig es ist, in solchen Fällen eine eindeutige Wahrheit zu finden.
Was habe ich aus dem Theaterstück gelernt?
Ich habe verstanden, dass jeder Mensch anders mit Enttäuschungen umgeht. Manche reagieren mit Trauer, andere mit Wut – und manche mit Rache.
Was ist mir bei dem Theaterstück aufgefallen?
Christian Thiede, der Angeklagte, wurde von einer Rechtsanwältin vertreten, während Katharina Schlüter, die Klägerin, einen männlichen Anwalt hatte. Warum wurde sie nicht ebenfalls von einer Frau vertreten? Hätte das einen Unterschied gemacht?
Was für ein Bild entsteht, wenn eine Frau eine andere Frau verteidigt? Wirkt das klischeehaft oder gar schwächer? Oder sollte es in einem gerechten Prozess gar keine Rolle spielen, welches Geschlecht der Anwalt oder die Anwältin hat? Diese Fragen haben mich zum Nachdenken gebracht.





